Musiksignale und „Sinusfrequenzen“

Immer wieder wird im Zusammenhang mit der Musikwiedergabe über eine Hifi-Anlage von Sinusfrequenzen geschrieben (oftmals sogar nur von Frequenzen, womit meistens aber die Frequenzen gleichförmiger reiner Sinusschwingungen gemeint sind).

Wenn man sich dann mal ein „reales“ Musiksignal ansieht, ist da wenig sinusförmiges erkennbar:

Das Signal hat recht viele „Zacken“ und häufige Wechsel von An- und Abstiegsflanken die zudem eher steil als mit sinusförmigem Verlauf sind.

Das ist auch wenig verwunderlich, da ein reales Musiksignal ja immer die Summe der Signalverläufe aller aufgenommenen Schallquellen (Instrumente, Interpreten etc.) ist – und meistens sind ja mehrere Instrumente oder Interpreten an der Musik beteiligt.
Aber auch das Signal eines Musikinstrumentes oder die Sprache oder der Gesang eines Sängers für sich alleine hat einen Signalverlauf, der sich deutlich von reiner sinusförmiger Schwingung unterscheidet.
Somit ist klar, das die Summe mehrerer solcher Signalverläufe keinen auch nur annähernd sinusförmigen Charakter hat (wie sich solch ein Summensignal am Mikrofon zusammensetzt ist ja auch in meinem Artikel Schallreproduktion etwas ausführlicher erklärt).

Bereits die Summe einiger weniger Sinusschwingungen „erzeugt“ ein Signal, daß sich deutlich von dem einer einzelnen Sinusschwingung unterscheidet.
Betrachten wir mal ein sehr einfaches Summensignal: die Summe von 5 Sinusschwingungen (Sin x + Sin 2x + Sin 3x + Sin 4x + Sin 5x), die alle zur gleichen Zeit starten und die alle die gleiche Amplitude (1) haben:

Dieses „erzeugte“ Summensignal (dicke schwarze Kurve) hat zwar noch einen halbwegs „sinusförmigen“ Charakter, aber es unterscheidet sich bereits in wesentlichen Merkmalen von den einzelnen Sinusschwingungen aus denen es „erzeugt“ wurde:

  • Der Steigungsverlauf (der erste längere steile Anstieg) ist deutlich steiler als der der Sinusschwingung mit der höchsten Frequenz (Sin 5x).
  • Die maximale Amplitude ist fast 4 mal grösser als die jeder einzelnen („enthaltenen“) Sinusschwingung.

Um z. B. einen annähernd ähnlichen Steigungsverlauf wie das Summensignal mit einer einzelnen Sinusschwingung (bei gleicher Amplitude) zu erhalten, müsste die Frequenz ca. 28x betragen– also fast 6 mal so hoch sein wie die der Sinusschwingung mit der höchsten Frequenz mit der das Summensignal „erzeugt“ wurde (und das bei „nur“ 5 Sinusschwingungen).
Das bedeutet, wenn ich ein Signal, das sich wie im Beispiel aufgeführt, aus Sinusschwingungen mit z. B. 1000Hz, 2000Hz, 3000Hz, 4000Hz und 5000Hz zusammensetzt, wird erst eine einzelne Sinusschwingung mit einer Frequenz von 28000Hz (bei gleicher Amplitude) einen ähnlichen Steigungsverlauf haben, wie das Summensignal dessen höchste „enthaltene Frequenz“ ja „nur“ 5000Hz beträgt.

Einen annähernd ähnlichen Steigungsverlauf erhalte ich auch, wenn die Sinusschwingung mit der höchsten Frequenz (sin 5x) mit der 3,5 fachen Amplitude wiedergegeben wird.

Das ist insofern bedeutsam, da ja viele Messungen an einer HiFi-Anlage mit einzelnen Sinussignalen gemacht werden – bzw. die Messergebnisse anhand von Sinusschwingungen dargestellt und betrachtet werden (meist mittels Fourier-Transformation als Amplituden-Frequenzdarstellung – auch oft als „Frequenzgang“ benannt).

Das macht man, weil Sinussignale einfach zu erzeugen und auszuwerten sind und weil man jedes stetige Signal – also auch jedes Musiksignal – als Summe einzelner Sinusschwingungen darstellen kann (was Fourier ja bereits im 18. Jahrhundert mathematisch bewiesen hat).
Vereinfacht gesagt, „besteht“ damit jedes Musiksignal aus einer Summe von Sinusschwingungen.

Aus dieser modellhaften Vorstellung eines Musiksignals (als Summe vieler einzelner Sinusschwingungen) nimmt man an, das eine Anlage, die einzelne Sinusschwingungen möglichst alle gleich laut wiedergibt (linearer Frequenzgang), auch ein Summensignal (also ein reales Musiksignal, das ja aus vielen einzelnen Sinusschwingungen „besteht“) korrekt wiedergeben kann.

Wie oben gezeigt, hat aber selbst ein einfaches Summensignal, das aus „nur“ 5 Sinusschwingungen „besteht“, bereits eine deutlich andere Charakteristik als jede einzelne Sinusschwingung mit der das Summensignal „erzeugt“ wurde (…und das ja bei einer Fourier-Transformation dieses Summensignals auch mit Amplitude 1 und der entsprechenden Frequenz dargestellt wird – in der Fourier-transformierten Darstellung dieses Summensignals wäre weder die maximale Amplitude zu erkennen, noch eine Sinusschwingung, die einen annähernd ähnlichen Steigungsverlauf hat).

Ein reales Musiksignal „besteht“ aus wesentlich mehr Sinusschwingungen als das o. a. Beispiel.
Die Addition der Signale von mehreren im Raum positionierten Schallquellen bringt zudem noch unterschiedliche Phasenbeziehungen der einzelnen Sinusschwingungen mit in die Summenbildung ein (Startpunkte bzw. Nulldurchgänge der jeweiligen Sinusschwingungen unterscheiden sich - siehe auch meinen Artikel Schallreproduktion).
Damit unterscheidet sich ein reales Musiksignal in jedem Fall sehr deutlich von einer sinusförmigen Charakteristik – es wird eher„zackig“; mehr als wäre es eine Mischung aus Sinus- und Rechtecksignalen.

In diesem Zusammenhang ist es auch unerheblich, wie das Gehör das Musiksignal „verarbeitet“; ob z. B. einzelne Sinusschwingungen aus denen das Musiksignal „besteht“ vom Gehör als einzelnes wahrnehmbar sind. Die einzelnen Sinusschwingungen, mit denen ein Musiksignal darstellbar ist („aus denen es besteht“) sind lediglich ein mathematischer Anteil des „realen“ Musiksignals.
Die Wiedergabeanlage muss das reale Musiksignal an die Ohren übertragen… nicht die einzelnen Sinusschwingungen, aus denen das Musiksignal mathematisch „besteht“!

Das Verhalten einer HiFi-Anlage, anhand ihres Verhaltens bei einzelnen Sinusschwingungen bzw. mit Hilfe der Darstellung durch einzelne Sinusschwingungen zu betrachten, macht nur Sinn, wenn man die Unterschiede von Sinusschwingungen zu „realen“ Musiksignalen kennt und entsprechend berücksichtigt.

 

 

 

 

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Joachim Liepold

im März 2016

 
 
 
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