Zielkurven

 

 

…Aspekte zur Zielkurvengestaltung eines DRC-Systems

oder

...wie kommt man an eine „zielführende“ Zielkruve?

 

...von Joachim Liepold

 

 

 

Was ist eine Zielkurve... und wie kommt man an eine „zielführende“ Zielkruve?

Bei den meisten Raumkorrekturlösungen (DRC = Digital Room Correction) muss man eine sog. Zielkurve vorgegeben - oder das Programm gibt eine vor, die man aber meistens verändern kann.
Diese Zielkurve bezieht sich auf den Ziel-Frequenzverlauf, der am Hörplatz „erzielt“ werden soll (daher der Begriff Zielkurve).

Das Program versucht dann durch Pegelanhebungen und -absenkungen einzelner Frequenzbereiche den (am Hörplatz) gemessenen Frequenzgang so gut wie möglich dieser Zielkurve anzugleichen.

Beispiel eines solchen gemessenen Frequenzgangs und einer Zielkurve:

 

Die weißen Kurven sind die Frequenzgänge der Stereo-Kanäle der Anlage am Hörplatz (in diesem Fall vom Programm nach einem bestimmten Algorithmus gewichtet aus 9 Messungen im Bereich des Hörplatzes).
Die rote Kurve ist die Zielkurve. Diese ist veränderbar und kann weitgehend nach Belieben „gezeichnet“ werden.

Im Idealfall wird dann bei aktivierter Raumkorrektur der Frequenzgang am Hörplatz der (roten) Zielkurve entsprechen.

Dem sind zwar Grenzen gesetzt aber prinzipiell funktioniert das recht gut.
Das ist natürlich auch von der Qualität der Anlage und der Aufstellung/Hörplatz-Kombination sowie vom jeweiligen DRC-Programm abhängig - eine „schlechte“ Anlage wird dadurch noch nicht zur High-End-Anlage.

Aber prinzipiell wird der Frequenzgang am Hörort der vorgegebenen Zielkurve entsprechen.

 

Damit steht der Anwender aber vor der Frage, welcher Frequenzgang soll denn nun am Hörplatz sein? Welcher Frequenzgang wäre ideal? Welcher gefällt mir am besten? Welcher „hört“ sich am besten an, welcher “klingt“ am Besten?

Natürlich kann man sich jetzt verschiedene Zielkurven erstellen und diese dann „erhören“. Das macht auch Sinn und sollte man auch tun, aber gut wäre natürlich eine „Basis“ zu haben, von der aus man dann nur noch geringe Änderungen vornehmen muss.

 

Gedanken über Zielkurven

Oft wird vermutet, daß ein absolut waagerechter Frequenzgang ideal wäre - denn dann sind ja alle Frequenzen gleich laut am Hörplatz. Theoretisch müsste das Signal der Quelle dann ja „perfekt“ zu hören sein - keine Frequenz lauter oder leiser als die andere, perfekte Signalreproduktion ...theoretisch. Tatsächlich gibt es DRC-Systeme, die dies so vorschlagen - meist Geräte aus dem High-End-Bereich.

In einem Raum kommen allerdings noch Reflexionen hinzu, die in Summe mit zunehmender Frequenz -   physikalisch bedingt - lauter am Hörplatz ankommen.
Demnach wäre eine stetig abfallende Zielkurve eine Variante, um damit den zu den hohen Frequenzen ansteigenden Pegel wieder zu „normalisieren“.

Das ist durchaus ein Ansatz. Man kann mit einer Zielkurve mit einem stetigen Abfall von z. B. 8 bis 10db von 20Hz bis 20.000Hz anfangen.

 

Eine weitere Möglichkeit ist, sich an Untersuchungen und Versuchen über Boxen in Räumen, Raumakustik und Raumkorrektursystemen zu orientieren.

Namen wie Toole, Olive etc. sind in der Hifi-Szene weithin bekannt.

Hier gibt es auch viele Untersuchungen und Versuche, die mit vielen „Testhörern“ durchgeführt wurden.

Hier mal das Ergebnis eines Vergleichs verschiedener Raumkorrektursysteme (von Olive; Harman Hörraum, Boxen B&W802) mit vielen unterschiedlichen Hörern.

 

 

 

Die erste Grafik zeigt die Bewertung der Testhörer für die zu bewertenden   Klangeigenschaften für jedes der getesteten Raumkorrektursysteme (von oben nach unten schlechter werdend; RC4 ist das System ohne Raumkorrektur; unten ist die Gewichtung der Bewertung der einzelnen Klangeigenschaften für das Gesamtergebnis in der rechten Spalte).

Es wurden vornehmlich tonale Klangeigenschaften bewertet, da diese am ehesten mit dem Frequenzgang in Korrelation zu bringen sind.
Lokalisationsschärfe, Dynamik, Transparenz wurden nicht bewertet, auch wenn diese - nach meiner Erfahrung - von der „tonalen Balance“ durchaus mit beeinflusst werden.

Die ersten drei Systeme liegen im Endergebnis rel. nah beieinander, unterscheiden sich aber in der Bewertung einzelner Klangeigenschaften z. T. deutlich.

In den zwei Bildern darunter sind dann die verschiedenen gemessenen Frequenzgänge der Raumkorrektursysteme gezeigt, von oben nach unten in der Reihenfolge der vorher gezeigten Bewertung.

Im ersten Bild (Average Magnitue Response at Primary Listening Seat) sind die Frequenzgänge am Sweetspot-Hörplatz gezeigt und im zweiten Bild (Average Magnitue Response Over 6 Seats) sind diese Frequenzgänge über 6 Hörplätze gemittelt gezeigt.

Der oberste (RC1, rot) Frequenzgang wurde demnach von den meisten im Endergebnis als der „Beste“ in allen bewerteten Klangeigenschaften und an allen Hörplätzen empfunden, danach die zweite (RC2, grün) usw..

 

 

 

Dieses Bild (Perceived versus Measured Spectral Balance) gibt die tonale Empfindung aller Testhörer der jeweiligen vorher gezeigten Frequenzgänge an.

Demnach wurde der oberste Frequenzgang (RC1, rot) tonal mit einem leichten Bass- und Höhenabfall empfunden. Also der Frequenzgang des in allen bewerteten Klangeigenschaften als „Bestes“ empfundene System ist weder messtechnisch „waagerecht“ noch wurde er von den Hörern als tonal „gleichbetonend“ empfunden (der Spruch unter dem untersten Bild sagt das ja auch).

Demgegenüber wurde z. B. das Dritt-Beste System (RC3, blau) als „Bassbetonter“ und mit leichtem Höhenanstieg empfunden. Diese Bassbetonung ist auch in beiden Messung grob zu erkennen (+5 bis +10db gegenüber dem rel. waagerechten Mitteltonbereich). Im Hochton (ab ca. 4kHz) ist der gemessene Abfall des dritten Frequenzgangs (RC3, blau) sogar größer als beim ersten (RC1, rot). Dennoch wird es als deutlich Hochtonbetonter empfunden.

Scheinbar spielt die „tonale Balance“ eine Rolle bei der tonalen Empfindung - noch besser an den Kurven zu RC4 und RC5 (gestrichelt und lila) zu sehen.

RC1 und RC2 führt also ebenfalls zu einer Zielkurve mit einem linear abfallenden Verlauf von ca. 20Hz bis 20000Hz mit ca. 10db Unterschied.

 

Es gibt aber noch weitere Ergebnisse von Hörversuchen.
Interessant finde ich die sog. Harman Target Curve:

 

 

 

Diese Kurve ist von der Firma Harman International in ebenfalls umfangreichen „Hörtests“ entwickelt worden.

Diese Kurve hat etwas Ähnlichkeit mit der dritten (RC3, blauen) Kurve des vorherigen Versuchs.

In einer Veröffentlichung von Toole fand ich weitere Versuchsergebnisse, die auch  Ähnlichkeiten mit der Harman-Kurve und zu einigen der vorherigen Kurven aufweisen:

 

 

Zur besseren Sichtbarkeit habe ich die "Trained Listener only" und die "All Listener" Kurven mal in ein feineres Raster nachgezeichnet und speziell die Trained Listener-Kurve "idealisiert" - also nur den prinzipiellen Verlauf gezeichnet. Darunter noch die "Eckpunkte" der zwei Kurven (mit deren Hilfe man diese leichter in eine Zielkurve eines DRC übertragen kann).

Speziell die Kurve der „All Listener“ kommt der Harman Target Curve und der dritten (blauen) Kurve des ersten Bildes schon recht nahe.

Interessant auch, daß die sog. „Trained Listener only“ einen insgesammt eher „linearen“ Frequenzgang bevorzugen - also mit weniger Bass und weniger starken Unterschieden im Verlauf.

 

In dem Zusammenhang ist auch ein Ergebnis von Hörversuchen mit verschiedenen   Frequenzgängen in Autos (der gleichen Veröffentlichung von Toole) interessant:

 

 

Das „Olive & Welti target“ entspricht hier recht gut der Harman Target Curve (von mir in rot eingezeichnet).

Auch der Frequenzgangverlauf der „5 premium systems“ (Auto-Hifi-Anlagen) kommt der Harman Target Curve recht nahe (allerdings mit deutlicher Hochtonanhebung...).

Hier noch eine weitere Target Curve von Harman:

 

 

Somit wären einige dieser Kurven eine Basis für eine Zielkurve.

 

Eine weitere Möglichkeit ist die Analyse von Hifi-Systemen - also z. B. von den am Hörplatz gemessenen Frequenzgängen einiger als gut „beleumundeten“ Hifi-Boxen.

Das US-Magazin Stereophile veröffentlicht bei manchen Hörtest von Boxen Frequenzgänge die in der Wohnung des Autors an dessen Hörplatz gemessen wurden (gemittelt aus mehreren Messungen um den Hörplatz herum und mit 1/6 Okt. geglättet).
Diese Frequenzgänge sind also an dem Platz gemacht, an dem der Autor seine Klangeindrücke von diesen Boxen erhält, die er dann im Artikel ausführt.

Es werden die Frequenzgänge von zwei Boxen gezeigt, und im Text wird dann auch auf die klanglichen Unterschiede dieser beiden Boxen eingegangen.

Anhand dieser Frequenzgänge kann man die oben aufgeführten Kurven „verifizieren“ - schließlich sind es ja Frequenzgänge von Boxen die von einem Stereophile-Autor als gut klingend empfundenen wurden.

Interessanterweise gibt es hier durchaus Ähnlichkeiten mit den zuvor aufgeführten Kurven. Man muss natürlich die gemessenen Frequenzgänge etwas abstrahieren - im Raum gemessene Frequenzgänge werden nie gerade oder gar gleichmäßig sein.
Der generelle Verlauf - wann und wie stark eine Bassanhebung stattfindet oder wann wie stark eine Höhenabsenkung einsetzt - lässt sich dennoch recht gut mit den vorher aufgeführten Messungen und Kurven vergleichen.

 

 

 

Boxen in der Reihenfolge der Grafiken von oben nach unten:

Wilson Alexia 2 (red) and of GoldenEar Technology Triton Reference (blue).

GoldenEar Triton Reference, (red); and of KEF Reference 5 (blue).

KEF Reference 5, (red); and of KEF Blade Two (blue).

KEF Reference 5, (red); and of Magico S5 Mk.II (blue).

KEF Blade Two, (red); and of DALI Rubicon 8 (blue).

Vivid Giya G1 Spirit (red) and MartinLogan Masterpiece Renaissance ESL 15A with Anthem Room Correction (blue).

YG Acoustics Carmel 2, (red); and of KEF Blade Two (blue).

Joseph Perspective, (red); and of Vivid Giya G3 (blue), Rogers BBC LS3/5A (green).

 

Und hier noch drei sehr hochpreisige Boxen in einem Diagramm mit feinerer Skalierung aber in einem anderen Hörraum (eines anderen Authors - mit anderen Moden als in dem Hörräumen der vorherigen Stereophile-Darstellungen):

 

 

Wenn man dann auf dieser Basis ein paar Zielkurven erstellt hat, kommt das „Hören“ und „optimieren“ - also die Anhebungen zu verstärken oder abzusenken oder die „Übergangsbereiche“ zu verändern (ob und wann z. B. eine Bassanhebung oder eine   Höhenabsenkung einsetzt und auch wie „steil“ der Anstieg bzw. Abfall ist).

Die letztendlich „optimale“ Zielkurve für die eigene Anlage im eigenen Raum, wird wahrscheinlich leicht anders aussehen als die o. a. Kurven - aber mit dem prinzipiellen Verlauf kann man „anfangen“ zu optimieren.

 

Quellen:

http://www.aes.org/tmpFiles/elib/20180830/17839.pdf

https://drive.google.com/file/d/0B97zTRsdcJTfY2U4ODhiZmUtNDEyNC00ZDcyLWEzZTAtMGJiODQ1ZTUxMGQ4/view?hl=en

http://www.juloaudio.sk/Umiestnenie_reprosustav/History%20of%20Harman%20Target%20Curve.pdf

https://www.stereophile.com/category/floor-loudspeaker-reviews

https://www.stereophile.com/content/wilson-audio-specialties-chronosonic-xvx-loudspeaker-measurements

 

 

Einige Versuchs-Zielkurven für mein Wohnzimmer als Ausgangsbasis

 

 

 

 

Anhang:

Das folgende Bild zeigt (grob), welche klanglichen Einflüsse das Anheben oder Absenken bestimmter Frequenzbereiche hat:

 

 

 

 Quelle: https://diyaudioheaven.wordpress.com/headphones/measurements/koss/ksc35/

 

 

 

 

„Alternative“ Zielkurvenentwicklung


Neben den geschilderten Vorgehensweisen gibt es noch eine Möglichkeit „seine“ Zielkurve zu entwickeln.

Wenn man in der Lage ist, seine Höreindrücke den tonalen Bereichen für bestimmte Klangeigenschaften zuzuordnen, kann man „seine“ Zielkurve selbst entwickeln.
Mir fehlt hierzu leider die nötige Hörerfahrung - speziell was natürliche Instrumente anbelangt.

Wenn man allerdings einen erfahrenen Hörer kennt (dessen Hörpräferenzen man teilt bzw. anstrebt), der zudem noch in der Lage ist, seine Höreindrücke qualitativ zu äußern, kann man mit dessen Hilfe „seine“ Zielkurve entwickeln.

Mit etwas Kenntnis der tonalen Bereiche für bestimmte Klangeigenschaften ist es möglich die Zielkurve in einer Hörsession mit solch einem Hörer anzupassen (eine gute Hilfe ist die Grafik im Abschnitt „Klangbereiche“).

Ich kenne mittlerweile einige Hörer, deren Anlagen mich beeindruckt haben und deren Hörpräferenzen ich auch teile. Einer dieser Hörer kann beim Hören einer Anlage recht gut sagen was ihm in welchem Bereich fehlt oder was passt.

Seine Hörgeschichte ist geprägt von vielen Konzertbesuchen (Klassik in großen Konzertsälen) und Live-Darbietungen seit seiner Jugend und dem streben nach einer Anlage die diese Hörerlebnisse möglichst gut reproduzieren kann.
Besonderen Wert legt er dabei auf Transparenz und Livehaftigkeit - glaubwürdige Darstellung natürlicher Instrumente und Stimmen (im Vergleich mit seinen immer wieder erhörten Eindrücken von Konzerten und Liveauftritten).

Die Suche nach einer entsprechenden Anlage brachte es mit sich, daß er vieles gehört hat und versucht hat zu ergründen, worin sich die Anlagen bezüglich der ihm wichtigen Klangeigenschaften unterschieden, um so zu „seiner“ Anlage zu kommen. Als Folge   daraus ergab es sich, daß er recht gut beschreiben kann, was bei einer Anlage klanglich stimmt und was wie anders ist - immer in Bezug auf seine Hörerfahrung und seiner eigenen Anlage.

Seine Anlage hat mittlerweile einen für ihn recht „hohen“ Grad erreicht. Nach diversen Audio-Physik Modellen (Tempo, Caldera, Medea in drei Ausführungen) hört er zur Zeit über Intonation Terzian (http://www.intonation.de/terzian.html) an einer Röhrenendstufe (viel Schallplatte - z. T. auch alte Mono-Aufnahmen mit entspr. System).
Er hört in einem rel. kleinen Raum, im Nahfeld. Die Boxen stehen frei, fast mitten im Raum. Der Raum selbst ist weitgehend „unbehandelt“ hat aber viele offene Schallplatten- und Bücherregale, die offenbar recht gut für das nötige Diffusfeld sorgen. Er klingt ähnlich hallig wie ein modernes Wohnzimmer.
Die Authentizität und Transparenz seiner Anlage ist schon sehr beeindruckend.
Besonders auffällig ist für mich der sehr hochtonreiche Klang, der aber nie zu scharf oder zu spitz wurde.

Einen solchen, relativ hochtonreichen Klangeindruck kenne ich auch von einigen anderen audiophilen Anlagen ...und von Kopfhörer-Wiedergabe!
Es scheint, daß dies einer der Gründe für die Transparenz und Authentizität ist.
Ich habe auch schon mal selbst versucht die Zielkurve meiner Anlage entsprechend zu verändern (speziell mehr Hochton), was auch zu mehr Transparenz führte, aber so ganz stimmig wurde das bisher noch nicht.

Dieser Hörer hat sich nun mal meine Anlage angehört und wir haben zusammen einen Abend lang eine Zielkurve „entwickelt“.

Das lief so, daß er bestimmte Musikstücke hatte, die wir uns angehört haben (teilweise auch nur angespielt). Er sagte mir dann, was seiner Ansicht nach nicht stimmte - z. B. Frauenstimmen mit zuwenig Hochtonenergie, Geigen ohne Obertonspektrum, Stimmen im Grundtonbereich zu „gepresst“, Grundtonbereich bei Bassimpulsen „überdeckt“, usw.. und ich habe dann die bestehende Zielkurve entsprechend verändert. Dann wurden diese Musikstücke erneut gehört um zu hören was sich verändert hat und was noch nicht stimmt - und immer wieder auch mit wechselnden Musikstücken gegengehört.

Bei seinen Musikstücken wusste er recht gut, worauf es im Einzelnen ankam, und konnte das auch recht gut bestimmten tonalen Bereichen (Hochton, Grundton, Bass etc.) zuordnen. Da ich mittlerweile recht gut weiß welche Frequenzbereiche   diesen tonalen Bereichen entsprechen und ich auch eine Vorstellung habe, welche Größenordnung an Änderungen sinnvoll sind, kamen wir recht schnell weiter.

Angefangen mit zwei stetig linear abfallenden Kurven über meine bisherige Zielkurven haben wir diese letzte Zielkurve dann 11 mal verändert.
Bei der 11. haben wir dann aufgrund des fortgeschrittenen Abends Schluss gemacht, waren aber beide schon recht zufrieden mit dem Ergebnis.
Mit dieser Kurve klang meine Anlage dann deutlich anders als zu Beginn und - nach unserer beider Einschätzung - wesentlich authentischer, transparenter und impulsiver als vorher. Insgesamt viel stimmiger und in vielen Aspekten nah an der Anlage des „Hörers“.

Das wird sicherlich nicht die letzte Modifikation der Zielkurve sein, aber durch diese Abstimmung habe ich nun einen sehr gute Basis-Zielkurve. Zudem weiß ich nun noch  besser, welche Bereiche der Zielkurve ich für welche Höreindrücke wie verändern muss. Insgesamt ein sehr „produktiver“ Abend.

Am deutlichsten sind die Änderungen im Hochtonbereich - selbst gegenüber meinen früheren Zielkurven, bei denen ich im Hochtonbereich (nach meiner Einschätzung)  schon viel verändert habe. Interessanterweise klingen nun auch Aufnahmen, die ich bisher als sehr hell und - gerade bei Stimmen - als scharf und ins „unerträglich gehende“ empfand, gut anhörbar z. T. sogar richtig gut ...trotz oder vielleicht gerade wegen des stärkeren Hochtonbereichs.

Im folgenden habe ich mal alle Zielkurven dieser Hörsession der Reihe nach dargestellt (von links nach rechts, von oben nach unten) darunter die Kommentare des "Hörers" zur jeweiligen Kurve (woraufhin dann die nächste Kurve erstellt wurde).

Diese ersten beiden Kurven habe ich früher mal erstellt und wollte sie eigentlich aufgrund ihres „theoretisch idealen“ Verlaufs als Basis nehmen. 

Keine Transparenz, „langweilig“ (für beide dieser Kurven)

 

Die folgende Kurve war meine bis dahin verwendetet Kurve, die zumindest tendenziell schon besser klang. Diese wurde als Basis für die weiteren Modifikationen gewählt.

Prinzipiell immer noch zuwenig Transparenz/Obertöne; immer noch „langweilig“.

 

Bass zu „weich“, Stimmen zu dünn                                                                                              zuwenig Hochtonenergie (immer noch)

 

zuwenig Tieftonsubstanz, Stimmen noch zu dünn                                                                        zu wenig Glanz im Obertonspektrum (bei Violinen)

 

noch zu wenig Glanz im Obertonspektrum                                                                                 Stimmen leicht „gepresst“

 

Bassimpulse überdecken Stimme                                                                                                    noch nicht ganz „stimmig“ (speziell Mitten)

 

Hochtonbereich noch zu unausgewogen                                                                                           etwas zu wenig „Punsh“

 

insgesamt jetzt schon recht stimmig, Transparent und authentisch - „gefühlt“ 90%-Ergebnis.

 

 

Wenn ich mir jetzt mal die letzte Zielkurve so ansehe, und mit der Basis vergleiche, sind die Unterschiede sehr groß:

 

 

Auch zu den vorher in diesem Artikel beschrieben Kurven, gibt es relativ wenig Ähnlichkeiten.

Die meisten „bisherigen“ Zielkurven fallen alle im Hochtonbereich mehr oder weniger stark ab (nur eine hat einen Höhenanstieg).
Andererseits ist solch ein Hochtonanstieg auch nicht ganz unbekannt. Viele Tonabnehmersysteme haben oft einen sehr deutlichen Hochtonanstieg.

Damit kommt diese Zielkurve prinzipiell dem Hören einer Schallplatte recht nahe - also dem, was viele Audiophile so hören und von deren Transparenz und Authentizität sie oft schwärmen.
Das passt auch gut zu meinen Erfahrungen vom Vergleich Schallplatten- versus CD-Wiedergabe (http://www.audioclub.de/index.php/clubleben/angehoert/95-schallplatte-versuc-cd) - der Kreis schließt sich.

 

 

Gedanken zu dieser „Abstimmungssession“.

Der Vergleich Klang vorher zu Klang nachher ist recht groß - wie wir beide einhellig feststellten.
Nicht nur die tonalen Eigenschaften, sondern insbesondere Transparenz, räumliche Auflösung (Lokalisation und Bühnendarstellung) und vor Allem auch die Impulsivität (Dynamik) sind sehr unterschiedlich.

Die Anlage wurde in ihrem gesamten klanglichen Charakter verändert - nur durch Verändern der Zielkurve!

Es wurden weder Komponenten ausgetauscht, noch am Raum oder an der Aufstellung irgend etwas verändert - das muss man sich erstmal verdeutlichen!

Nicht alle klanglichen Aspekte konnten durch eine Modifikation der Zielkurve „verändert“ werden. So gab es bez. der Bühnendarstellung eine geringfügige Unsymmetrie, die Aufstellungsbedingt ist (das Problem kannte ich bereits, hier werde ich demnächst die Boxen symmetrischer platzieren).
Auch der Übergangsbereich vom TT zum MSW (um 350Hz) ließ sich nicht optimal anpassen, da ist klanglich bei manchen Stücken ein „Bruch“ (auch das war mir bekannt - hier wäre ein weiteres Chassis die Lösung; so wie es HSB ja auch konsequenterweise macht!).

Trotzdem ist es offenbar nur durch Ändern der Zielkurve möglich, den klanglichen Charakter der Anlage komplett derart zu verändern, wie man es sonst nur durch den Austausch von Komponenten kennt (andere Boxen, Endstufen, DACs, Tonabnehmer, Kabel etc. pp.).

Waren die anfänglichen Veränderungen der Zielkurve noch recht grob (ca. 2db), ging es zum Schluss nur noch um recht keine Änderungen (teilweise nur 0,2db), die aber durchaus gut hörbar waren. Mein „Hörer“ meinte zum Schluss, wir würden die Anlage jetzt schon so „feintunen“, wie er es z. B. mit dem Austausch von Kondensatortypen bei Frequenzweichen von Boxen kennt oder z. B. dem Austausch von Kabeln.

Natürlich muss die Anlage schon ein gewisses Niveau haben und auch die Aufstellung der Boxen muss stimmen - an physikalischen Grundlagen führt kein Weg vorbei.
Sie muss vor Allem auch die Änderungen der Zielkurve - speziell im Hochtonbereich - „verarbeiten“ können.

Was allerdings nur mittels der Zielkurve klanglich so alles möglich ist, hat an diesem Abend nicht nur mich verblüfft!

 

Nachtrag 20.03.2020 - Weitere Entwicklung


Einer der Vorteile eines Raumkorrektur-Systems ist die Möglichkeit Zielkurven rel. schnell zu ändern, um z. B. bestimmte tonale „Effekte“ auszuprobieren.
In einem Artikel des HIFISTATEMENT netmagazin (https://www.hifistatement.net/tests/item/2731-soundspace-systems-pirol?start=0) über eine Box fand ich folgenden Abschnitt:

„...Nachdem die Pirol ihren allerersten, sehr positiven Eindruck hinterlassen hatten, begann dann das Feintuning. In Sachen Tonalität und Dynamik bestand ja – wie erwähnt – keinerlei Handlungsbedarf. Die Kawero Classic und Göbels Einsteigermodell Epoque Aeon Fine hatten mich zuvor jedoch mit einer deutlich tieferen Bühne verwöhnt, weshalb ich Michael Plessmann [Entwickler der Box] bat, in dieser Disziplin noch ein wenig mehr aus seinen Kreationen herauszukitzeln. Durch eine präzisere Ausrichtung konnte er noch marginale Verbesserungen erzielen. Doch dann verband er sein Laptop nacheinander mit der aktiven Elektronik der beiden Lautsprecher und verschob die Frequenz, bei der das Filter erster Ordnung einsetzte, von überraschend niedrigen 50 Hertz auf noch überraschendere 27 Hertz: Sofort löste sich der Klang völlig von den Gehäusen und die imaginäre Bühne dehnte sich ein gutes Stück weiter in die Tiefe aus....“

Die Box verwendet im Tief-Mitteltonbereich ein Supravox-Chassis das ohne Filter arbeitet - also auch im Tieftonbereich wohl auch bis unter 50Hz mit entspr. Pegel. Die zwei Tieftonchassis werden aktiv betrieben und mittels einer DSP-Weiche mit 6db/Okt zum Tief-Mitteltöner hin begrenzt. Wie beschrieben, ist die Einsatzfrequenz dieses Filters normalerweise bei 50Hz.
So eine Abstimmung macht nur Sinn, wenn die zwei Tieftöner in ihrem Bereich den Bass verstärken - also mehr Pegel erzeugen gegenüber dem MT-Bereich. Das enstpräche somit in etwa der Harman Target Curve mit einem deutlichen Anstieg des Basspegels unterhalb von 100Hz. Nur dann kann man auch die Einsatzfrequenz der Basschassis auf die beschriebenen 27 Hz legen, ohne daß eine Senke im Übergangsbereich entsteht... was ja sicherlich nicht im Sinne des Entwicklers ist.

Damit würde also eine Basserhöhung nur im Bereich um 30Hz (gegenüber dem Mitteltonbereich) eine Verbesserung der Bühnentiefe und ein besseres „Loslösen des Klangs von den Boxen“ ergeben.
Das kann man ja mal mit einer entsprechenden Zielkurve ausprobieren.
 
Ausgehend von einer Zielkurve, die einen leicht linear abfallenden Verlauf hat und eine Erhöhung des Bassbereichs von +5db bei 70Hz hat, habe ich die Bass-Erhöhung mal auf 30Hz „verschoben“ und - im Laufe des ersten Probehörens - den Pegel sogar mal auf +8db angehoben.



In der Tat brachte das eine gut hörbare Verbesserung der Stereobühne in der Tiefe. Als Folge dessen verbesserte sich auch die Transparenz.
Nach weiteren Hörsessions mit verschiedenen Musikgeres und Aufnahmequalitäten, gab es an dieser Zielkurve noch weitere Änderungen. Der linear abfallende Teil wurde „steiler“ und die Bassanhebung etwas im Pegel verringert.
Damit verminderte sich zwar etwas der Effekt der Tiefe der Stereobühne und auch die Transparenz wurde schlechter, aber es ergab sich ein besserer „Kompromiss“ für eine Vielzahl von Aufnahmen - also „universeller“.
 

Diese Zielkurve ist quasi eine Mischung aus verschiedenen bisher beschriebenen Zielkurven.
Die Bassanhebung - im Vergleich zum Mitteltonbereich - kommt aus der Harman Target Curve und dem erwähnten Artikel.
Der linear abfallende Bereich entspricht mit ca. 1db/Oktave ziemlich genau den zwei „most prefered Kurven“ (RC1, RC2 - jeweils am Sweetspot und gemittelt über 6 Plätze) aus Sean Olives Zielkurvenvergleich.
Die Hochtonanhebung kommt aus der Entwicklung der „Alternativen  Zielkurvenentwicklung“ mit einem Freund.
 

 

Nachtrag 01.02.2020 - Weitere Entwicklung


Im Sommer letzten Jahres hab ich meine Anlage ums ein weitere Komponente ergänzt; eine Mutec Reclocker, der die digitalen Daten meines MacBooks neu taktet. Diese Teil hat den Klang meiner Anlage in fast allen Aspekten deutlich verbessert... auch tonal!
Bass musste ich reduzieren und Höhen konnte ich nun "problemloser" anheben.

Das heiss aber auch, daß ich meine Zielkuven dem neuen "Quellsignal" anpassen musste.
Die folgenden zwei Zielkurven sind das Ergebnis von mehreren Monaten und stellen meine aktuellen Zielkurven dar.
 
Diese Zielkurve ist primär mit Stimmen abgestimmt und "egalisiert" zischelnde S-Laute recht gut, allerdings auf Kosten "spritziger" Höhen.
 

 

Diese Zielkurve habe ich aufgrund eines Hörberichtes von Theo (mit der PiA) erstellt. Sie hat spritzige Höhen und S-Laute zischeln schon mal ...allerdings nicht bei allen Aufnahmen (oft ist das Zischeln auch Aufnahmebedingt). Insgesamt ergibt diese Zielkurve bei mir eine sehr transparente und spritzige Wiedergabe mit breiter und tiefer Stereobühne.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Joachim Liepold

im August 2018

 

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